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Yesanding: Mit Power Ideen entwickeln
Am diesjährigen Future Forum in Luzern hiess das Leitthema Projektmanagement. Und was wäre ein Projekt ohne eine gute Idee? Doch Ideen müssen erst gefunden werden – und dafür muss man manchmal unkonventionelle Wege gehen. Mitunter kann es schwierig sein, eine Idee weiterzuentwickeln, die sich nicht alle vorstellen können.
Nicht «Ja, aber» – sondern «Ja, und»
Oft kommt dann der berühmte Satz: «Ja, aber…» und damit ist die Idee abgeschmettert. Ralf Wetzel, Associate Professor for Organization & Management an der Vlerick Business School in Brüssel, zeigt wie man das mit der ‚Yesanding’ Technik verhindern kann und wie man Ideen zusammen weiterentwickelt.
Ben Seiler: In einem Meeting ist es oft der Fall, dass man einen Einfall hat und eine Idee aufbringt, diese dann aber mit einem «Geht nicht!» abgelehnt wird – was kann man dagegen machen?
Ralf Wetzel: Für solche Fälle macht es sicher Sinn, die ‚Yesanding-‘ – in Deutsch ‚Ja-und-Technik‘ – anzuwenden, die ihren Ursprung im Improvisationstheater und der angewandten Improvisation hat.
Was ist diese Yesanding-Technik?
Grob gesagt gliedert sich das Prinzip bei Yesanding in zwei Teile: Zunächst akzeptiert man das Angebot eines Partners (‚YES‘) und anschliessend baut man darauf auf (‚AND…‘).
Und im Detail?
Man akzeptiert den Vorschlag eines Kollegen (‚yes‘) und versucht, diesen Gedanken mit einer eigenen Idee weiterzuentwickeln, etwas hinzuzufügen und auf dem Vorschlag des anderen etwas aufzubauen (‚and‘). Das hilft dem anderen enorm, die eigene Idee zu realisieren und zu verbessern. Dieses Prinzip ist umso wichtiger, wenn die eigene Idee, der eigene Vorschlag von jemand anderem abgeblockt wird, was ganz oft der Fall ist. Kritik trifft man viel häufiger an als Wertschätzung und sofortige Weiterentwicklung. Viel zu oft geht man dann selbst in Gegenkonfrontation, verteidigt sich und blockt den Einwand. Man endet dabei in einer gegenseitigen Blockade, die normalerweise nur Frustration produziert.
Wie sollte man reagieren, damit die Kraft des ‚Yesanding’ zur Geltung kommen kann?
Man sollte diese Eskalations- und Frustrationsspirale des gegenseitigen Blockens unterbrechen. Dann versucht man, das Argument oder den Einwand nicht abzulehnen – auch wenn einem noch so sehr danach zumute ist. Man versucht stattdessen, einen positiven, interessanten oder inspirierenden Aspekt darin zu finden, der schlussendlich auch die eigene Idee noch stärken kann – mag dieser auch noch so winzig klein sein. Man sucht irgendwas, was einem gefällt, worauf man aufbauen kann. Wenn man sich etwas Zeit zum Überlegen gibt, findet man diesen Aspekt auch.
Was mache ich, wenn ich diesen Aspekt nun gefunden habe?
Diesen guten Punkt versucht man zu verstärken (‚plussing‘) – also mit seiner eigenen Idee zusammenzuführen und so zu vergrössern. Diese vergrösserte Idee gibt man dann wieder an den ‚Blocker‘ zurück. Das ist manchmal schwierig, weil man in der Regel zu sehr in seinen eigenen Vorschlag ‚verliebt’ ist und ihn schützen will. Es geht aber darum, die andere Person anzuerkennen, seinen Einwand zu sehen und zur Verbesserung des eigenen Gedankens aufzugreifen. Dadurch nimmt man dem Konflikt die Kraft.
Also ergänzt man die Idee der anderen Person?
Genau. Das soll aber nicht bedeuten, dass man alles akzeptiert, was als Blockade daherkommt. Natürlich hat man ein eigenes Interesse. Der Unterschied ist, dass man eine Verknüpfung zwischen dem ‚guten‘, interessanten Punkt im Blocking des anderen und der eigenen Idee herstellt. Wer im Blocking des anderen etwas Konstruktives sieht und zeigt, dass man die eigene Idee dank neuer Einsichten verändern würde, signalisiert dem ‚Blocker’, dass man ihm zuhört, ihn ernstnimmt und dass man ihn als Partner akzeptiert, auch wenn man eigentlich mit ihm spinnefeind ist. Das verblüfft den ‚Blocker’ üblicherweise – zum eigenen Vorteil.
Und das hilft, die eigene Idee weiterzuentwickeln?
Nun, wenn man bei einem ‚Blocker’ auf Gegenkonfrontation schaltet, heisst es schnell: «Du hörst mir ja gar nicht zu – das wusste ich doch gleich!». Wenn du nun aber «Yesanding» anwendest, verlässt du diese Spirale und fängst an, zuzuhören und mit dem Einwand – so doof du ihn auch finden magst – zu arbeiten. Und normalerweise registriert das der andere, weil es gegen die üblichen sozialen Konventionen geht. Und weil ein Teil seiner Kritik aufgenommen wurde, fällt es dem ‚Blocker’ viel schwerer, den geplussten Einwand nochmals zu blocken, weil ein Teil seiner Kritik in der eigenen Antwort schon mit drinsteckt.
Also wenn ich einmal «Ja» sage, finden wir eine gemeinsame Lösung?
Es ist auf jeden Fall der erste Schritt, die Negativ-Spirale zu durchbrechen und in eine Positiv-Spirale gegenseitiger Inspiration umzukippen. Das kann sehr zäh und anstrengend sein. Zugegeben, es braucht ein bisschen Übung, immer wieder zuzuhören und zu versuchen, irgendwas mit dem anzufangen, was dein Gegenüber dir um die Ohren haut. Im Kern ist es eine Übung in Demut. Denn es geht immer darum, das eigene Ego aus dem Weg zu räumen, das immer dann schäumt, wenn jemand die eigene Idee kritisiert.
Im Kern ist Yesanding eine Übung in Demut.
Man muss also einigermassen offen bleiben für den anderen und wirklich zuhören. Dann kommt der Punkt, wo du denkst: „Ist ja vielleicht wirklich nicht so dumm“. Und wenn du dann einigermassen entspannt und locker bist, bist du auch bereit, deinen eigenen Standpunkt zu verändern. Und vielleicht auch zuzugeben: «Ja, du hast Recht.»
Gibt’s es auch den Punkt im Yesanding, wo man merkt, dass es nichts bringt?
Ja natürlich. Beispielsweise geht’s nicht darum, das kategorische Nein auszublenden und auf Teufel-komm-raus das Yesanding zu praktizieren. Vielmehr geht es darum, diese Konfliktspirale zu durchbrechen, ohne jemandem zu erlauben, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Wenn es ein politisches Spiel wird, ist völlig klar, dass man sagt: „Bis hierhin und nicht weiter!“ – und dann muss ein Nein kommen. Und wenn man noch ein „aber“ hinzufügt, kann man eine neue alternative Richtung der Ideen vorschlagen und so demanderen die Möglichkeit geben, zuzustimmen oder abzulehnen. Demut, Zuhören und innere Beweglichkeit sind in der Regel die besten Eigenschaften, selbst einen politischen Kampf zu gewinnen.
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