Job Coach > Stelleninserate richtig lesen: 5 goldene Regeln für das Lesen zwischen den Zeilen

Stelleninserate richtig lesen: 5 goldene Regeln für das Lesen zwischen den Zeilen

Die Stelleninserate gleichen einander und die Kandidaten bewerben sich vielfach mit den Unterlagen, die sie gerade griffbereit haben. Aber genau hier können Bewerbende noch viel mehr herausholen. Eine passgenaue Bewerbung ist dein Wettbewerbsvorteil im Kampf um attraktive Stellen. Lies mit meinen Tipps mehr aus dem Inserat heraus als deine Mitbewerber und punkte mit deinem Know-how.

Ein Gastbeitrag von Irmtraud Lang

Das Stelleninserat in der Schweiz folgt einem sehr klassischen Muster. Der Aufbau einer Stellenanzeige entspricht üblicherweise einem Fünfklang aus Stellentitel, Firmenbeschrieb, Tätigkeitsbeschrieb, Anforderungen an den Bewerber und wie Interessenten sich bewerben können. Nach dem Stellentitel wird die Firma beschrieben, gefolgt von den Tätigkeiten, die es auszuführen gilt. In der Textmitte folgt dann typischerweise eine Auflistung der technischen Muss-Kompetenzen, gefolgt von persönlichen Soft Skills und Soll-Kriterien. Abgerundet mit Hinweisen, wie die Bewerbung gerne entgegengenommen wird. Aber was kannst du aus den verschiedenen Elementen herauslesen und wie kannst du deine Bewerbung darauf anpassen?

1. Der Stellentitel im Inserat

Stellentitel sind in den letzten Jahren wahrlich farbig geworden. Die englische Sprache wird sehr phantasievoll verwendet und lässt die Titel in einem anderen Licht erscheinen. Aus einem Hauswart wird ein Facility Manager, aus einer Verkaufsperson ein Key Account Manager. Aber Achtung! Gerade in grösseren internationalen Firmen wird der Titel Manager nur für leitende Funktionen verwendet. Funktionen, die eine höhere Ausbildung mit entsprechender Erfahrung fordern, sind dann lediglich als Associate, als Specialist oder gar als Administrator ausgeschrieben und beinhalten nicht zwangsmässig den Zusatz Manager. Das spricht Stellensuchende weniger an. Sie suchen ja auch eine Stellung, nicht nur eine Stelle! KMU und speziell kleinere Betriebe sind oft sehr grosszügig mit Titeln. Schnell werden Begriffe wie Leiter, Head, Mitglied der Geschäftsleitung oder Director verwendet. Mein Tipp: Nicht mit den Augen am Titel hängenbleiben, sondern gleich zum Firmenbeschrieb springen. Ausserdem rate ich dazu, bei der Jobsuche auf Jobportalen nach mehreren Berufsbezeichnungen und Key Words zu suchen.

2. Firmenbeschrieb

Viele Jobinserate werden nicht mehr von den Firmen selbst publiziert, sondern von Agenturen oder Personalvermittlern. Hier lassen die Firmenbeschriebe häufig zu wünschen übrig. Oft wird die Firma sehr dürftig skizziert. Dies geschieht in unterschiedlicher Absicht. Entweder sucht die Agentur verdeckt und möchte in einem ersten Anlauf Rückschlüsse auf die Firma vermeiden. Oder der Bewerberpool soll soweit als möglich geöffnet werden oder aber die Firma hat lange selbst gesucht und möchte nicht schon wieder auf dem Markt erscheinen. Als Kandidat hast du hier wenig Möglichkeiten, vor einer Bewerbung mehr zur Firma zu erfahren. Sollte die Firma selbst inserieren, nutze dies für eine erste Recherche. Sammle Infos über Produkte, Organisation und Zukunftspläne der Firma. Ist die Homepage professionell und ansprechend? Checke alle deine Kontakte, eventuell kennst du jemanden, der dort arbeitet? Versuche auf verschiedenen Kanälen an mehr Informationen zur Stelle und zur aktuellen Situation zu kommen.

3. Tätigkeiten und Verantwortungen

In diesem Inserateteil wird meistens ein Extrakt aus der internen Stellenbeschreibung präsentiert. Oft sind die Tätigkeiten im Bullet-Point-Stil aufgelistet. Das erscheint lieblos, ist aber für die Lesbarkeit ein Vorteil. Achtung, gerade bei Inseraten von amerikanischen Firmen sind hier sehr ausführliche Texte integriert. Jeder Handgriff aus der Job Description wird erwähnt. Manchmal sind die Punkte redundant, was die Gesamtheit der Aufgaben dann nicht mehr so attraktiv erscheinen lässt.

Mein Tipp: Filtere die wesentlichen Elemente heraus und lasse dich von unwesentlich erscheinenden Aufgaben nicht unnötig ablenken. Verstehe und verwende nun Jargon, Stil und Sprache des potentiellen Arbeitgebers! Binde möglichst passende Tätigkeiten aus deinem Profil 1:1 in der Sprache des Inserates in deinen Lebenslauf und dein Motivationsschreiben ein. Schrecke auch nicht davor zurück, dich auf Stellen zu bewerben, bei denen du nicht alle Anforderungen erfüllst.

Die 6 wichtigsten Tipps für deinen Lebenslauf Mehr Erfahren

Hier liegt ein unglaublicher Hebel für deine Bewerbung. Jedes Unternehmen formuliert Tätigkeiten in einem bestimmten Jargon. Diesen gilt es bei der schriftlichen Bewerbung unbedingt einzuhalten. Der programmierte Computer oder der externe Recruiter, welcher die erste Sichtung vornimmt, übersetzt die verwendeten Fachtermini nicht in allgemeine oder übergeordnete Begriffe. Wenn du sinngemäss ähnliche oder dieselben Aufgaben gemacht hast, dies aber anders benennst, gehst du das Risiko ein, dass deine Fähigkeiten nicht gesehen und erkannt werden. Halte deinen Lebenslauf in der Sprache der Ausschreibung, damit du die Begriffswelten optimal triffst. Binde dies unbedingt in deinen Lebenslauf ein, nicht ins Anschreiben, das dann zu lange werden würde, und rechne auch nicht damit, dass in den Zeugnissen danach gesucht wird! Der erste Blick fällt nämlich immer auf den Lebenslauf.

4. Profil und Eignungskriterien im Stelleninserat

Viele Bewerbende springen sofort zum gesuchten Profil und schauen, ob sie passen. Oft ist dieser Profilteil dominant in der Mitte des Inserates gesetzt und mit Bullet Points maximal verkürzt. Mein Tipp: Wenn du der Hälfte der Anforderungen genügst, lohnt sich eine Bewerbung. Das mag dir ungeheuerlich erscheinen, aber an diesen Punkten wird von Arbeitgeberseite unglaublich viel diskutiert und geschliffen. Der potenzielle Arbeitgeber versucht mit diesen wenigen Begriffen eine Person zu skizzieren, die nach seinen Auffassungen optimal für die Rolle geeignet wäre. Ein schwieriges, wenn nicht hoffnungsloses Unterfangen. Bei spezialisierten Branchen wie Pharma, Maschinenbau und IT sind die technischen Voraussetzungen sehr eng gefasst. Wenn du die Abkürzungen nicht verstehst, sieh von einer Bewerbung ab. Diese Insider Keywords werden absichtlich als Filter eingebaut und sind nicht verhandelbar. Es gibt aber durchaus verhandelbare Fähigkeiten. Die Auflistung der Kriterien ist meist nach Wichtigkeit geordnet. Bei den später genannten Punkten, wie Sprachkenntnissen, Zusatzqualifikationen, Führungsspanne etc., gibt es häufig Ermessensspielraum.

Dabei stellen Unternehmen häufig Maximalforderungen – ob sie so jemanden bekommen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Lege nicht alles in diesem Teil auf die Goldwaage, Probieren geht über Studieren. Du solltest jedoch die geforderten Muss-Kriterien sehr sichtbar in deinem CV platzieren. Du willst ja auf dem 1. Stapel landen.

Je höher die Funktion im Organigramm angesiedelt ist, desto weniger eng sind die technischen Spezifikationen und umso mehr werden die einschlägigen Berufs- oder Branchenerfahrungen gewichtet. Viele Bewerbende fühlen sich dann berufen. Dies generiert eine sehr hohe Zahl an Bewerbungen, die anschliessend in einem engen Muster aussortiert werden müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob dabei wirklich immer die Besten zum Zug kommen. Umso wichtiger ist die Passform der Unterlagen, denn die Chance auf ein persönliches Gespräch ist in diesen Fällen stark eingeschränkt.

Amüsiere dich ruhig an der Auswahl der Adjektive, die der Kandidat erfüllen sollte, und schrecke nicht davor zurück. Es sind immer die Gleichen: Flexibel, dynamisch und eigenverantwortlich, unternehmerisch denkend, belastbar oder mit Willen zum Erfolg gehören zum Standard-Repertoire genauso wie Zielstrebigkeit und Zuverlässigkeit. Letzteres ist ja nicht so schwer.

Flexibel: Eine typische Worthülse. Meist steckt dahinter: Bitte einfach anpacken und machen, was ansteht. Häufig wechselnde Anforderungen, in die du dich hoffentlich selbständig einarbeitest.

Dynamisch: Erst einmal positiv, Abwechslung und Spass. Was die Floskel nicht sagt: Zu deinen Aufgaben zählt zwar, andere mitzureissen und alles zu geben, aber erwarte nicht motiviert zu werden. Du bist ja dynamisch. Das muss reichen.

Belastbar: Weil ständig Mehrarbeit und Überstunden anstehen, musst du hier ganz schön an die Säcke. Oder aber diese gesuchte Eigenschaft ist eine jener Leerformeln, die von Anzeige zu Anzeige reproduziert werden, ohne dass jemand darüber nachgedacht hat.

5. Wo und wie bewerben

Achtung, wer lesen kann, ist im Vorteil. In den Fussnoten des Inserates stehen genaue Angaben darüber, wie und wo die Bewerbung entgegengenommen wird. Oftmals wird ein Link angegeben, mit dem du deine Bewerbung ins System hochladen kannst. In den Firmen haben sich in den letzten Jahren Systeme etabliert, die zum Teil aufwändige Bewerbungsprozesse fordern. In den Systemen werden auch schon erste Selektionsfragen hinterlegt. Lade alle ergänzenden Dokumente in guter Qualität hoch. Verwende PDF-Dateien und füge Anhänge zu einer Datei zusammen. Folge den Anweisungen genau und schliesse die Bewerbung ab. Manche Kandidaten finden diese Prozesse unpersönlich und werfen frustriert die Flinte ins Korn. Ein Fehler. Die Firmen haben die Prozesse auch aus Fairness eingeführt, damit alle Bewerbende die gleichen Chancen haben.

Sei nicht enttäuscht und nimm es nicht persönlich, wenn du nach deiner Bewerbung nie wieder was von der Firma hörst. Es kommt leider immer öfter vor, dass keine Absagen mehr versendet werden. Nicht einmal Standardmails. Das hat leider auch mit der Menge der unpassenden und mangelhaften Bewerbungen zu tun. Du kannst nach zwei bis drei Wochen mal Kontakt aufnehmen.

Bewerben braucht auch mentale Ausdauer. Geh immer wieder neu ran, studiere die Stelleninserate genau und lass dich mutig auf die verschiedenen Angebote ein. Wer nicht wagt, gewinnt nicht!

Dr. Irmtraud Lang ist Chemikerin und ist seit 20 Jahren in der Personalvermittlung für die Pharma-Branche tätig. Mit Beiträgen und Blogartikeln gibt sie weiter, was sie gesehen, erfahren und gelernt hat. Sie bietet Kandidaten damit die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und vom ersten Moment an eine Bewerbung ins beste Licht zu rücken. Mehr unter: www.gloorlang.com.

Ähnliche Beiträge

Wie du mit KI deinen Lebenslauf optimierst: 7 innovative Strategien
Prüfungsangst im Job: Ein Leitfaden für selbstsichere Auftritte