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So können Jugendliche «ihren» Lehrberuf finden

Vor allem jungen Menschen fällt es oft besonders schwer, festzustellen, welchen Beruf sie in der Zukunft ausüben möchten. Die Jugendlichen müssen erst ihre Talente und Schwächen entdecken und herausfinden, in welche Richtung es gehen sollte. Der Experte Sandro Pisaneschi gibt Tipps, wie Jugendliche feststellen können, welcher (Lehr-)Beruf zu ihnen passt und welche Rolle die Eltern bei der Berufswahl übernehmen sollten.

Mathias Steger: Wie können junge Menschen ihre Stärken und Schwächen herausfinden?

Sandro Pisaneschi: Das Wichtigste ist, dass man sich darüber Gedanken macht, was man gerne tut. Zudem muss man sich darüber im Klaren sein, was man auch gut kann. Manchmal braucht es dazu den Input von Eltern, die unabhängig von den Schulnoten auf Fähigkeiten und Stärken aufmerksam machen können. Viele Kompetenzen haben nicht viel mit den Noten zu tun. Es kann etwa eine Stärke sein, wenn man aufmerksam zuhört, sehr sozial ist oder gut Konflikte schlichten kann. Das sind alles Eigenschaften, die man gut im Beruf einsetzen kann. Mit einer Liste von Dingen, die man gerne tut, oder auch einem Fragenbogen, den man online findet, kann man sich ein genaueres Bild der eigenen Stärken machen.

Letztendlich bietet ein Schnuppertag oder sogar eine Schnupperwoche den besten Einblick in den Berufsalltag.

Wie können junge Menschen feststellen, ob sie für einen Job bzw. eine Lehrstelle geeignet sind?

Am besten machen sie Berufserkundungen, besuchen Berufsmessen und sprechen mit Bekannten über die unterschiedlichen Berufe. Hinzu kommen die verschiedenen Checks, welche die schulischen Fähigkeiten aufzeigen und die zur Selbsteinschätzung dienen. Letztendlich bietet ein Schnuppertag oder sogar eine Schnupperwoche den besten Einblick in den Berufsalltag. Deshalb ist es sinnvoll, auch während den Ferien mal 1 bis 5 Tage in einen Betrieb hineinzuschnuppern. Sobald das Interesse in einem geweckt wurde, sollte man unbedingt mit Bekannten sprechen, die schon in der Lehre sind, oder das Netzwerk der Eltern und Lehrer aktivieren.

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Was rätst du Jugendlichen, wenn sie nicht wissen, was sie nach der Schule machen wollen?

Das kann man nicht pauschal sagen – es kommt sehr auf den Typus an. Wichtig finde ich, dass junge Erwachsene eine Tagesstruktur haben und den Tag nicht «verhängen». Es gibt sehr gute Brückenangebote, dank denen die Jugendlichen an den Schulleistungen sowie an der Berufswahl arbeiten können. Dazu gehören z.B. ein Motivationssemester, ein 10. Schuljahr oder Sprachaufenthalte. Jugendliche werden sehr früh mit ihrer Zukunft konfrontiert, obwohl sie noch gar nicht unbedingt bereit sind für die Arbeitswelt. Ich finde es deshalb schlecht, wenn man Jugendliche in eine Lehrstelle zwingt, obwohl sie noch gar nicht so weit sind. Eine weitere Alternative ist das Gymnasium und dann das Studium. Ich erlebe aber auch oft, dass von zu Hause aus Druck gemacht wird, einen akademischen Laufweg einzuschlagen, oberwohl das Herz für etwas ganz anderes schlägt.

Lehrstelle

Und wenn man sich für nichts interessiert?

Man darf nicht vergessen, dass in diesem Alter die Pubertät in vollem Gange ist. Primär hat ein Jugendlicher nicht seine Zukunft im Kopf, sondern Kollegen, Freunde oder Musik. Jugendliche sollten immer wieder mal gefragt werden, was ihre Ideen und Vorstellungen für die Zeit nach der Schule sind. Manche sagen, dass sie das Leben geniessen und reisen wollen. So kommt man dann zur Frage, mit welchem Geld das geschehen soll. Die Eltern sollten nicht früh mit Druck anfangen, aber das Thema immer wieder einmal aufgreifen und nachfragen: «Was macht dir Spass? Was interessiert dich? Willst du das einmal genauer anschauen?»


Ich denke, es ist die Lenkungsaufgabe der Eltern, dafür zu sorgen, dass ihr Kind in dieser Lebensphase diese Leitplanke erhält. Die meisten Jugendlichen sind im Nachhinein dankbar für diese Begleitung.

Was sollen junge Lehrstellen-Suchende machen, wenn es ihren Wunschberuf eigentlich gar nicht gibt?

Dann empfehle ich, einen ähnlichen und umsetzbaren Beruf zu suchen. Dieser kann sich dann weiterentwickeln. Die aktuelle Berufswelt lässt es zu, umzusteigen. Hinzu kommt, dass sich die Welt rasant verändert. Heute gibt es Berufe, die vor zehn Jahren noch nicht existierten. Es kann sein, dass auf einmal Berufe entstehen, und man merkt, dass man sich dafür interessiert. Ausserdem ist der Trend sowieso, dass die erste Ausbildung nur eine Grundlage für das weitere Vorankommen bildet. Wichtig ist dabei, dass man etwas macht, was man selbst für sinnvoll hält und woran man Spass hat.

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Ich rate, grundsätzlich offen zu sein und den eigenen Weg zu gehen.

Hast du abschliessend noch Tipps für die Berufswahl?

Ich rate, grundsätzlich offen zu sein und den eigenen Weg zu gehen. Man sollte sich manchmal auch bewusst von Ideen lösen und schauen, was es sonst noch für interessante Dinge gibt. Sich die Schattenseiten eines vermeintlichen Traumberufes bewusst zu machen, macht auch Sinn. Viele wollen in den Detailhandel oder das KV machen. Man sollte sich vielleicht auch einmal den Berufsalltag dieser Berufe anschauen und sich dazu gewisse Fragen stellen, etwa: Bin ich bereit am Samstag bzw. bis spät am Abend zu arbeiten? Wenn nein, sollte man sich Alternativen überlegen. Der andere Tipp ist, sich bei möglichst vielen Leuten aus dem Umfeld zu informieren. Jugendliche haben in der Regel 24 Klassenkameraden. Das ist bereits ein gutes Netzwerk!

Sandro Pisaneschi

Sandro Pisaneschi ist Geschäftsführer von beratungsbuffet.ch. Er unterstützt junge Menschen bei der Lehrstellensuche und betreut Menschen bei ihrer beruflichen Veränderung. Er berät sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen. Er ist Autor des Ratgebers «Vom Liebesbrief zur Lehrstelle» mit umfassenden Tipps & Tricks rund um die Lehrstellensuche und die Bewerbung für deine Lehrstelle.

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