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Das Motivationsschreiben – ein Auslaufmodell? 

Ein praktischer Guide für alle Jobsuchenden 

Wer sich auf Jobsuche begibt, kennt es: das klassische Bewerbungs-Dreiergespann aus Lebenslauf, Arbeitszeugnissen und Motivationsschreiben. Doch während der Lebenslauf oft als unverzichtbar gilt, stellt sich die Frage: Braucht es heute noch ein Motivationsschreiben? 

In einer Arbeitswelt, in der Bewerbungsgespräche per Video stattfinden und digitale Tools den Auswahlprozess beschleunigen, sind neue Ansätze gefragt. Die gute Nachricht: Das Motivationsschreiben kann noch immer dein Trumpf sein – wenn du es richtig nutzt. 

Die Geschichte des Motivationsschreibens 

Die Wurzeln des Bewerbungsschreibens liegen in der langen Tradition des formellen Briefeschreibens, die Jahrhunderte zurückreicht. In der vorindustriellen Zeit wurden Arbeitsmöglichkeiten oft über persönliche Verbindungen, Empfehlungen oder Einführungsschreiben vermittelt. 
Im 17. und 18. Jahrhundert wurde es üblich, schriftliche Briefe vorzulegen, wenn man sich um eine Lehrstelle oder eine Position im Handwerk bewarb. Diese „Einführungsschreiben“ stammten häufig von angesehenen Personen, die für den Charakter oder die Fähigkeiten des Bewerbers bürgten. 

Erster und Zweiter Weltkrieg – Der moderne Arbeitsplatz entsteht

Mit der Industrialisierung und der Entstehung moderner Unternehmensstrukturen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelte sich ein formalisierter Einstellungsprozess. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg mussten zurückkehrende Soldaten oft ihre Fähigkeiten und Anpassungsfähigkeit an neue, sich entwickelnde Industrien unter Beweis stellen. 
In diesen Zeiten begann die schriftliche Korrespondenz, den Bewerbungsschreiben zu ähneln, die wir heute kennen, insbesondere für Stellen, die qualifizierte Arbeit oder administrative Tätigkeiten erforderten. 

Mitte des 20. Jahrhunderts – Die Formalisierung des Bewerbungsschreibens 

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde das Konzept der „Bewerbung“ zunehmend standardisiert. Arbeitgeber verlangten immer häufiger sowohl einen Lebenslauf (zur Darstellung der Qualifikationen) als auch ein persönliches Bewerbungsschreiben, um die Kommunikationsfähigkeiten und das echte Interesse des Bewerbers zu beurteilen. 
Bewerbungsschreiben wurden zu einem Mittel, um den oft nüchternen Lebenslauf zu ergänzen und persönlicher zu gestalten. 

1980er-Jahre – Der Aufstieg von Wirtschaft und Unternehmenskultur

In den 1980er-Jahren etablierte sich das Bewerbungsschreiben endgültig als integraler Bestandteil des Bewerbungsprozesses, was mit dem Aufstieg wettbewerbsorientierter Unternehmensumfelder einherging. 
Immer mehr Menschen arbeiteten in Bürojobs und Bewerber brauchten ein Mittel, um sich abzuheben. Bewerbungsschreiben wurden als wesentlich angesehen, um sich vorzustellen, die Eignung für die Position hervorzuheben und eine ansonsten unpersönliche Bewerbung zu individualisieren. 

Warum das Motivationsschreiben etwas Staub angesetzt hat 

Früher war das Motivationsschreiben das Herzstück jeder Bewerbung: Hier konntest du Persönlichkeit zeigen und deine Motivation erklären. Heute setzen viele Unternehmen auf effiziente Bewerbungsprozesse. Personalverantwortliche konzentrieren sich meist auf den Lebenslauf – ein langes, allgemeines Schreiben fällt da oft durchs Raster. Gleichzeitig werden Motivationsschreiben durch den Einsatz von KI generisch und sind oft nicht aussagekräftig genug. 

Auch die Digitalisierung vereinfacht vieles: Auf Plattformen wie LinkedIn kannst du deine Erfahrungen und Erfolge präzise präsentieren. Ein aussagekräftiges Profil und eine kurze, persönliche Nachricht können  überzeugender wirken als ein klassisches Motivationsschreiben. 

Trotzdem bleibt es in manchen Situationen ein wichtiger Baustein – und kann dir sogar einen Vorteil verschaffen. 

Wann lohnt sich ein Motivationsschreiben wirklich? 

  • Du bewirbst dich auf eine besonders beliebte Stelle. Ein überzeugendes Schreiben kann dich hervorheben. 
  • Du wechselst die Branche oder den Beruf. Ein Lebenslauf zeigt Fakten – ein Motivationsschreiben erzählt deine Geschichte: Warum schlägst du diesen neuen Weg ein? Welche Stärken bringst du mit? 
  • Bei Unternehmen, die Wert auf persönliche Motivation legen. Besonders in sozialen Berufen, NGOs oder kreativen Bereichen zählt es oft mehr als Zahlen und Fakten. 

Bevor du Zeit investierst, frag dich: Bringt mein Motivationsschreiben einen Mehrwert? Es lohnt sich vor allem, wenn du deiner Bewerbung eine persönliche Note verleihen willst. Sollte ein Motivationsschreiben explizit gefordert werden, musst du natürlich eines beifügen. Wie das geht, erklären wir dir hier ausführlich.  

Denk an das Motivationsschreiben wie an deinen persönlichen Elevator-Pitch: kurz, prägnant und auf den Punkt. Nutze die Gelegenheit, um zu zeigen, warum du perfekt zur Stelle passt – und was dich wirklich motiviert. 

Alternativen: Das Motivationsschreiben neu gedacht

Zurzeit entstehen kreative Alternativen zum klassischen Bewerbungsschreiben, die oft schneller überzeugen. 

  • Das Motivationsvideo: In ein bis zwei Minuten kannst du deine Persönlichkeit, Begeisterung und Qualifikation zeigen. Besonders in innovativen Branchen wie Start-ups oder Marketing ist das eine spannende Option. 
  • Der One-Pager: Eine kompakte, visuell ansprechend gestaltete Seite fasst deine wichtigsten Qualifikationen und deine Motivation zusammen. Modern, prägnant und zeitsparend. 
  • Dein Online-Profil: Ein gepflegtes Profil und ein persönlicher „Über mich“-Text sind oft wirkungsvoller als ein langes Schreiben. Ergänze deine Bewerbung einfach mit einer kurzen Nachricht, die dein Interesse und deine Motivation verdeutlicht. 

Und was sagt unsere Expertin?  

Wir haben Marina Faria, Senior Recruiterin / Talent Acquisition Partnerin bei JobCloud gefragt, was Sie bei Bewerbungen am spannendsten findet.  

Was ist das Erste, was du anschaust, wenn du eine neue Bewerbung bekommst?
Der Lebenslauf! Dieser gibt mir eine schnelle Übersicht über die Fachkompetenzen und Hard Skills der Bewerberin oder des Bewerbers. Besonders wichtig sind dabei die aktuelle und die vorherige Position, da diese mir direkt Aufschluss darüber geben, ob die bisherigen Erfahrungen für die ausgeschriebene Stelle relevant sind. Wenn dies der Fall ist, werfe ich im nächsten Schritt einen genaueren Blick auf die Aus- und Weiterbildungen, Sprachkenntnisse sowie den Wohnort. 

Das Motivationsschreiben für dich: Kann weg oder doch ganz praktisch?
Ich verzichte gerne auf ein Motivationsschreiben. Aus meiner Sicht ist es heutzutage nicht mehr zeitgemäss und wenig aussagekräftig, insbesondere weil der Einsatz von Künstlicher Intelligenz viele Schreiben standardisiert und sie dadurch an Authentizität verlieren. Zudem liefern sie mir selten entscheidende Zusatzinformationen, die nicht bereits im Lebenslauf oder anderen Unterlagen ersichtlich sind.  

Ein weiterer Punkt ist, dass Motivationsschreiben oft eine zusätzliche Hürde darstellen. Viele Kandidat:innen, die vielleicht gut zu uns passen würden, verzichten möglicherweise auf eine Bewerbung, weil sie sich von diesem formalen Schritt abschrecken lassen.
Stattdessen bevorzuge ich einen kurzen, persönlichen Erstkontakt anhand eines Telefoninterviews. Dieser Ansatz ist nicht nur effizienter, sondern gibt mir auch ein authentischeres Bild von den Kandidat:innen und ihren Motivationen. 

Was ist deine Lieblingsfrage im Interview?
Das ist schwer zu sagen, da ich einige Fragen habe, die ich immer wieder gerne stelle. Eine meiner Lieblingsfragen betrifft jedoch die Firmenkultur: „In welcher Firma hast du dich am besten aufgehoben gefühlt und warum?“ Diese Frage gibt mir tiefere Einblicke in die Persönlichkeit der Bewerberin oder des Bewerbers und zeigt, was ihnen wirklich wichtig ist. Oft entsteht daraus ein weiterführendes und sehr spannendes Gespräch. 

Fazit: Abschied oder Neuanfang? 

Das Motivationsschreiben ist nicht verschwunden – es hat sich weiterentwickelt. Während es für manche Stellen unverzichtbar bleibt, sind neue, kreative Formate zunehmend im Kommen. Wichtig ist: Passe deine Bewerbung der Situation an und nutze das Format, das am besten zu dir und zur Stelle passt. 

Wenn du ein Motivationsschreiben verfasst, sieh es als Chance, deine Einzigartigkeit zu zeigen. Und wenn es nicht verlangt wird? Trau dich, neue Wege zu gehen – sei mutig und bleib du selbst. 

Ein letzter Tipp: Hol dir Feedback! Egal, welches Format du wählst – eine zweite Meinung hilft, deine Bewerbung noch stärker zu machen. 

Viel Erfolg bei deiner nächsten Bewerbung! 🚀 

Das Bild oben wurde von unserer Designerin mithilfe eines KI-Tools erstellt. 🧑‍🎨 🤖

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