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«Aufflammendes Mobbing sollte man im Keim ersticken – das ist das Beste»

Die Aufgaben, die dir aufgetragen wurden, erledigst du rasch, professionell und in hoher Qualität – und trotzdem werden deine Leistungen konstant schlechtgemacht. Egal was du machst, die anderen sind einfach nicht zufrieden zu stellen. Was in solch einer Mobbingsituation zu tun ist, worin der Unterschied zwischen Mobbing und Bossing besteht und ob der Gang zum Anwalt die beste Lösung ist, erklärt uns Corinne Kälin, Geschäftsführerin der MobbingBeratung Zentralschweiz.

Häufig verwendet man Mobbing und Bossing im selben Atemzug – doch was sind die Unterschiede?

Bossing geht nur vom Vorgesetzten aus. Beim Bossing ist es mehr das Machtgefälle, welches in die Situation spielt. Der Faktor Unterdrückung wird aktiv, indem Vorgesetzte ihre Position ausnutzen – im Sinne von „ich bin am längeren Hebel“. Es kann aber auch viel mit Konkurrenzverhalten zu tun haben, wenn Mitarbeitende leistungsstark sind und Vorgesetzte Angst bekommen, dass ihnen am Stuhl gesägt wird – weil sie so ihre Führungsposition in Gefahr sehen. Vor allem schwache Führungskräfte greifen auf dieses Mittel zurück, weil sie mit der Stärke des Mitarbeitenden nicht gut umgehen können.

Von Mobbing wird hingegen gesprochen, wenn jemand aus dem Team oder anderen Abteilungen beispielsweise neidisch auf einen Arbeitskollegen ist. Oder wenn die Personen, die mobben, unterfordert oder gestresst sind – und ihre Reaktionen, bzw. Frustration auf diese Weise rauslassen. Die Täter suchen die Schuldigen in den Opfern, oder versuchen von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken, indem sie andere schlecht machen.

Wann wird ein schlechter Scherz zu Mobbing?

Es ist auf jeden Fall ein Unterschied, ob man von einem einmaligen Konflikt, der sich wieder legt, spricht, oder von Mobbing. Die Definition von Mobbing besagt, dass eine gewisse Häufigkeit von Mobbinghandlungen während einer längeren zeitlichen Dauer, beispielsweise mehreren Monaten, vorkommt und dass dies auch mit Systematik und Absicht passiert.

Wann sollte man anfangen zu handeln?

Sofort, wenn eine Grenzverletzung passiert ist.

Nun lässt es sich am Anfang aber schwierig einschätzen, ob es sich um einen einmaligen Konflikt oder anhaltendes Mobbing handelt. Sprich, ob ich richtig handle oder einfach überreagiere.

Ich sage immer: Sobald dich etwas stört, oder du das Gefühl hast, dass eine Grenze überschritten wurde, dann musst du reagieren. Man muss dann vielleicht noch nicht gerade von Mobbing sprechen. Man kann vielleicht beginnen, indem man sagt, dass es einem nicht gepasst hat, was gerade passiert ist, dass es einem gestört hat oder man mit dem Verhalten nicht einverstanden ist. Man sollte klar formulieren, dass man zukünftig von der betreffenden Person anders behandelt oder dargestellt werden will und dass man vor anderen nicht schlecht gemacht werden will. Es ist immer das Beste, wenn man direkt Paroli bietet, um so ein aufflammendes Mobbing im Keim zu ersticken. Denn wenn sich jemand nicht wehrt und die Opfer dieses Verhalten einfach geschehen lassen, motiviert das die Täter weiterzumachen.

Also ganz nach der Devise „lieber zu früh, als zu spät“?

Es ist manchmal so, dass Mobbing unterschwellig passiert und das Opfer gar nicht realisiert, in welcher Situation es sich befindet. Das kommt dann meistens erst viel später. Genau darum ist nicht das sofortige, sondern das rechtzeitige Reagieren wichtig und dass man die Situation direkt mit der Person klärt. Wer sich unsicher fühlt, soll jemanden ins Vertrauen ziehen, als Zeuge mitnehmen und mithören lassen. Oder sich beim Vorgesetzten Hilfe holen. Sollte der Vorgesetzte das Mobbing betreiben, sollte man direkt zur nächsthöheren Person oder einer Vertrauensstelle innerhalb des Betriebs gehen. Es ist wichtig für die Situationslösung, dass man Unterstützung bekommt und nicht alleine gelassen wird, sollte man selber nicht weiter kommen.

Man sollte unbedingt die Initiative ergreifen und handeln – auch wenn es manchmal unangenehm ist!

Corinne Kälin

Häufig heisst es ja auch, der Ton mache die Musik. Was muss ich beachten, wenn ich jemanden anspreche, der mich mobbt?

Wichtig ist, dass man in der Tonlage und der Haltung neutral bleibt und keinesfalls anklagendend oder beschuldigend wird. Man sollte von der eigenen Perspektive, von den eigenen Gefühlen sprechen, wie man die Handlungen aufgenommen hat und nicht anschuldigen oder anprangern. Also mehr Ich-Botschaften senden, wie beispielsweise „ich finde“ oder „das löste XY in mir aus“, als Du-Botschaften, wie „du hast“ und „du wolltest doch“.

Wenn man als Opfer nun den passenden Zeitpunkt verpasst hat, nichts unternommen hat und das Mobbing nicht mehr aushält – was ist dann der nächste Schritt?

Da stellt sich die Frage, ob man noch die Kraft und Stärke besitzt, um sich selber zu wehren – oder ob man sich dann direkt zusätzliche Hilfe holt. Sei das Kollegen, Vorgesetzte oder aber externe Hilfe. Sollte man sich krank fühlen, ist der Gang zum Arzt ratsam.

Wie kann man sich den Ablauf bei einer externen Stelle, beispielsweise einer Mobbingberatung, wie Sie eine führen, vorstellen?

Ich frage immer als erstes, was das Ziel der Person ist, die sich an mich wendet. Das können ganz unterschiedliche Sachen sein. Das fängt damit an, dass Opfer einfach nur wollen, dass das Mobbing aufhört und geht über, bis zu gesundheitlich und psychisch angeschlagenen Menschen, die nicht mehr zur Arbeit wollen und eine gute Lösung für die Auflösung des Arbeitsvertrags suchen, bis zu Gerechtigkeit erlangen – wenn nötig auch mit juristischen Konsequenzen.

Es macht mehr Sinn, aussergerichtlich eine Einigung zu finden.

Corinne Kälin

Apropos juristischen Konsequenzen: Ist ein Anwalt eine gute Lösung?

Auf keinen Fall sollte es die erste Lösung sein. Rechtlich hat man im Bereich Mobbing nicht wirklich viel in der Hand, weil es für Mobbing keine klare Rechtsgrundlage gibt. Vieles geht über die Fürsorgepflicht vom Arbeitgeber oder die Persönlichkeitsverletzung vom Strafgesetzbuch. Deshalb macht es mehr Sinn, wenn man immer zuerst versucht, aussergerichtlich eine Einigung zu finden und das Problem zu beheben. Oftmals hilft es dann, wenn eine Fachperson für die Mediation/Konfliktverhandlung beigezogen wird, weil die Ursache von Mobbing oft ungelöste Konflikte ist.

Auf was muss man achten, falls man dennoch juristische Schritte einleiten möchte?

Hilfreich sind immer schriftliche Abmachungen. Leider ist das in der Realität häufig nicht der Fall, da die meisten Abmachungen mündlich getroffen werden. Dann stellt sich die Frage, ob es eventuelle Zeugen gibt, die den Vorfall bestätigen können. Wichtig in diesem Punkt ist, dass mit dem Arbeitgeber abgemacht wird, dass die Zeugen keine Repressalien oder Benachteiligungen zu befürchten haben, wenn sie eine Aussage machen. Ein Tipp wäre vielleicht, dass man eine Art Tagebuch führt, in dem man festhält, wie sich das Mobbing geäussert hat und wie die Situationen waren. Oder dass man entsprechende E-Mails ausdruckt und aufbewahrt. Schriftliche festgehaltene Abmachungen sind auf jeden Fall handfester als mündliche. Sonst steht es Aussage gegen Aussage.

corinne kälin ist mobbingcoachCorinne Kälin, Geschäftsführerin der MobbingBeratung Zentralschweiz, war über 20 Jahre im Personalwesen beschäftigt. 2006 machte sie sich mit einer Coaching-Praxis selbstständig und eröffnete dann 2016 mit der MobbingBeratung im Raum Zentralschweiz eine spezialisierte Fachstelle.

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