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Jobsuche 50+ – ein Erfahrungsbericht

Arbeitslosigkeit kann alle treffen. Auch hochqualifizierte Fachkräfte und ab einem gewissen Alter wird es noch schwieriger. Andreas Herold stand Ende letzten Jahres plötzlich ohne Anstellung da. Er hat uns über seine Jobsuche und seine Erfahrungen in den letzten Monaten erzählt.

Andreas Herold, kannst du uns kurz deinen beruflichen Background und deine Erfahrungen schildern?50_andreas-1

Ich bin Fachpsychologe für Psychotherapie und eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut. Mein Schwerpunkt liegt bei der Betreuung von traumatisierten Patienten. Zuletzt war ich in einer Gemeinschaftspraxis bei einem Psychiater angestellt.

Wie kam es zur Arbeitslosigkeit?

Wir hatten über 20 Jahre eine Gemeinschaftspraxis. Dieser wurde Ende 2015 gekündigt, weshalb sie letztendlich aufgelöst werden musste und ich meine Anstellung verlor. Seitdem bin ich auf Arbeitssuche.

Wie können wir uns die Stellensuche bei dir vorstellen?

Ich bewerbe mich auf alle Psychotherapie-Stellen in Kliniken sowie auf Beratungs- und Coaching-Stellen in diesem Bereich, die es in Zürich und Umgebung gibt. An sich sind genug interessante Stellen für mich vorhanden, sodass ich durchschnittlich mindestens zwölf Dossiers pro Monat verschicke.

Wie sehen die Reaktionen auf deine Bewerbungen aus?

In ca. 90% der Bewerbungen bekomme ich eine Antwort. Die Antworten klingen meistens immer gleich und sind praktisch wie kopiert. Es sind dies Absagen mit Formulierungen wie „Wir haben uns für jemand anderen entschieden, der unseren Anforderungen noch ein bisschen besser entspricht“ sowie ähnlich klingende Varianten. Es heisst oft, ich sei hochqualifiziert und hätte eine sehr lange Erfahrung, dann kommt jedoch immer ein ABER… Insgesamt habe ich es bis jetzt erst dreimal zu einem ersten Interview und noch nie zu einem zweiten Gespräch geschafft.

Hast du das Gefühl, dass du die Absagen aufgrund deines Alters bekommst oder was könnten andere Gründe sein?

Ich glaube, das Alter spielt eine grosse Rolle. Viele Einrichtungen wollen nicht, dass sie jemanden engagieren, der mehr Erfahrung hat als das restliche Personal. Oft habe ich das Gefühl, dass jüngere Vorgesetzte ein Problem damit haben, jemanden älteren mit mehr Erfahrung als Teammitglied einzustellen. Die Geldfrage ist sicher auch relevant.

Werden diese Gründe auch dezidiert erwähnt?

So direkt gesagt wird das fast nie. Trotzdem spüre ich es, dass es oft am Alter scheitert. In einem einzigen Fall habe ich eine sehr negativ formulierte und fast beleidigende Antwort bekommen. Darin hiess es: „Mit Ihrem beruflichen Werdegang, Ihrem reichen Erfahrungsschatz, Ihren hohen Qualifikationen aber auch Ihrem Alter kommen Sie leider nicht für eine Tätigkeit für […] in Frage. […] Unsere Mitarbeiterinnen sind im Schnitt zwischen 35-40 Jahre alt und wir können uns nicht vorstellen, einen Mann in den 50zigern in unsere [sic.] Team konstruktiv zu integrieren“. Das ist zwar ehrlich, aber dennoch finde ich es diskriminierend.

Es gab auch eine Absage mit der Begründung „Sie verfügen nicht über eine psychotherapeutische Ausbildung“, obwohl ich genau in diesem Bereich all die Erfahrung habe. Die haben meine Bewerbung wohl nicht gelesen und einfach gedankenlos eine Standardabsage geschickt.

Wie gehst du mit derartigen Reaktionen um?

50_andreas3Die kennen mich ja gar nicht und können daher gar nicht wissen, ob ich mich konstruktiv integrieren könnte oder nicht. Grundsätzlich stört es mich, dass Qualifikationen und Erfahrungen in der Gesellschaft nicht genutzt werden. Es gibt so viele Menschen, die ich betreuen könnte. Dass man mir aufgrund des Alters oder weil ich nicht mehr so lange im Arbeitsleben sein werde keine Chance gibt, sehe ich als grosses Problem für die Wirtschaft und Gesellschaft.

Hast du versucht, die Vorteile deines Alters, wie etwa Erfahrung und Know-how, hervorzuheben?

Das versuche ich. Die Tatsache, dass ich mehr Ausbildung und mehr Diplome habe als die anderen, ist nicht unbedingt ein Vorteil. Ich habe wie gesagt oft das Gefühl, dass ich zu viel Erfahrung habe.

Hast du Seminare und Schulungen zum Thema Bewerbung und Selbstvermarktung besucht?

Ich habe ein Bewerbungsseminar absolviert und danach meine Unterlagen optimiert. Das hat mir für den Bewerbungsprozess durchaus geholfen, an Resultaten mangelt es allerdings nach wie vor.

Wirst du zufriedenstellend vom RAV betreut?

Ja, meine Betreuerin gibt sich sehr Mühe und ist sehr hilfreich. Ich denke, sie merkt auch, dass es in meinem Alter sehr schwierig ist.

Hast du Hoffnungen, bald etwas zu finden?

Eine kleine Chance besteht vielleicht. Ich bewerbe mich auch für Schwangerschaftsvertretungen und andere Temporärstellen bzw. Teilzeitstellen. Ich denke mir, wenn dann finde ich in dieser Richtung etwas.

Vielen Dank für das das Gespräch und deine Offenheit. Auch wenn du es sicher schon Tausend Mal gehört hast: Wir wünschen dir viel Erfolg und Kraft.

Fotos: Mathias Steger

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