Während der Bewerbung | Anschreiben | Lebenslauf
Interview – die grössten Herausforderungen bei der Bewerbung
Im ersten Teil unseres Interviews mit JobCoach und Personalerin Viola Christen haben wir erfahren, dass durch die Jobsuche 4.0 die Bewerbung vor allem digitaler und smarter wird. Erfahre im zweiten Teil, worauf Personaler beim Bewerbungsdossier am meisten achten und wie du dich im Bewerbungsgespräch ins richtige Licht rückst.
Mathias Steger: Worauf achten Rekrutierende und Sie im Besonderen heutzutage im Bewerbungsprozess?
Viola Christen: Bewerbungen werden heutzutage online übermittelt. Erfahrungsgemäss fällt bereits nach einigen Sekunden der Entscheid, ob der Kandidat oder die Kandidatin eingeladen wird oder nicht. Ich achte als Rekrutierende besonders darauf, ob die Bewerbung professionell daher kommt – grafisch wie auch inhaltlich. Dann schaue ich den CV an. Ist dieser chronologisch, lückenlos und sinnvoll. Sind die erwähnten Berufserfahrungen sowie Aus- und Weiterbildungen stimmig mit dem Anforderungsprofil.
Wenn mich der CV überzeugt – dazu brauche ich kein Foto – schaue ich mir je nach Vakanz das Bewerbungsschreiben respektive Motivationsschreiben an. Bei administrativen und kaufmännischen Stellen fällt der Blick genauer als zum Beispiel bei handwerklichen Berufen. Dabei achte ich auf die Logik, einen guten Schreibstil und eine fehlerfreie Schreibweise. Wie das Wort sagt, soll es die Motivation aufzeigen, warum der oder die Bewerbende diese Stelle will, und es soll keine Zusammenfassung des CVs sein. Überzeugt das Motivationsschreiben, schaue ich mir die Leistungsnachweise an wie Arbeitszeugnisse und Diplome. Da achte ich auf Vollständigkeit, Kongruenz und Redundanz. Das heisst, stimmen die erwähnten Anstellungsdaten, Funktions- und Berufsbezeichnungen im CV mit den Leistungsnachweisen überein.
Was ist eine problematische Lücke im Lebenslauf?
Ein intransparentes Darlegen oder „Schönfärben“ von Daten. Ungenaue Anstellungsdaten, wie das Angeben von Jahreszahlen ohne den Monat zu erwähnen, zum Beispiel Anstellungsdauer 2000-2002, gefolgt von einem neuen Arbeitgeber ab 2003. Hier bleibt es unklar, was der Bewerbende zwischen 2002 und 2003 gemacht hat. Heutzutage begegnen wir öfters Zickzack-Lebensläufen. Es ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass wir pausieren und eine Zeit auf Bali verbringen oder einem sozialen Engagement nachgehen. Transparenz schaffen und sich gleichzeitig ins richtige Licht rücken, sind die Kunst eines überzeugenden CVs.
Wo sehen Sie bei den Bewerbungen grosses Verbesserungspotenzial?
Ich beobachte, dass mit der Digitalisierung und den Online-Bewerbungen die Qualität und Verbindlichkeit leider stark abgenommen hat. Bewerbungen sind zum Teil fehlerhaft. Es ist wichtig, die Qualität bei der Bewerbung zu bewahren. Ansonsten vergibt man die Chance, eingeladen zu werden, obwohl man eigentlich ein gutes Profil hätte. Verbesserungspotenzial sehe ich zudem bei Bewerbenden, die sich unterschätzen. Diese hätten wohl eine gute Ausbildung und viel zu bieten, aber sie wissen nicht, wie man sich professionell präsentiert und „verkauft“.
Wie sieht heute ein Bewerbungsgespräch aus?
Ein Bewerbungsgespräch ist heutzutage facettenreicher. Es gibt eigentlich nicht mehr das eine Bewerbungsgespräch. Das Recruiting und Bewerbungsgespräch sind im Wandel. Experimentieren ist erlaubt. Wichtig bleibt, sich zu fragen, was das Ziel eines Bewerbungsgespräches ist. Einerseits soll herausgefunden werden, ob die jobsuchende Person die fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen mitbringt, welche wir uns wünschen. Andererseits muss der Arbeitgeber realistische Informationen zur vakanten Stelle vermitteln.
Mein Grundsatz lautet: Mut zur Lücke bei fehlenden Fachkompetenzen. Leistungswille und Motivation „first“. Bringt die Person die nötige Leidenschaft mit, um sich für einen Job zu engagieren und dadurch den erwarteten Leistungsanforderungen zu entsprechen? Einen weiteren Fokus setze ich auf die Cultural Readiness, das heisst, passt die Person zur Firmenkultur? Viele Fehler werden hier bei der Personalauswahl getätigt. Oft machen Bewerbende das Rennen, welche fachlich überzeugen, ohne dass hinterfragt wurde, ob diese zur Firmenkultur passen. Erst nach ein paar Monaten Anstellungsdauer bemerkt man den „Cultural-Misfit“.
Wie kann man den Cultural Fit im Jobinterview überprüfen?
Das gelingt mit Fragen, die einen Rückschluss erlauben, und dazu braucht es Erfahrung. Eine wichtige Frage am Anfang des Gesprächs ist etwa, was der Kandidat oder die Kandidatin über das Unternehmen weiss. Wenn er oder sie dies erläutert, zeigt sich schnell, ob Begeisterung vorhanden und ob das Funkeln in den Augen da ist. Leidenschaft für ein Unternehmen ist spürbar.
Wie rückt man sich beim Bewerbungsgespräch ins richtige Licht?
Die Jobsuchenden sollten sich in die Rolle des Recruiters oder der Recuiterin versetzen. Was könnte wichtig sein? Welche Fragen könnten gestellt werden? Was sind meine Lohnvorstellungen und welches ist mein Marktwert? Ausserdem sollen sie sich Informationen über die Firma beschaffen. Das Internet ermöglicht dies problemlos. Die Kandidatinnen und Kandidaten sollen sich erkundigen, wer im Interview dabei sein wird, Business-Profile prüfen usw. Mit einer offenen, authentischen Haltung und dem richtigen Einschätzen des eigenen Potenzials wird das Vorstellungsgespräch zielführend und selbstbestimmt.
Viola Christen ist Gründerin und Inhaberin von Christen Human Resources Management. Als Personalmanagerin und Job-Coach bietet sie Personaldienstleistungen für KMUs, Grossunternehmen und Einzelpersonen an. Der Firmensitz befindet sich in Meilen (ZH) und es gibt eine weitere Filiale in Braunwald (GL).