Gesunde Ernährung am Arbeitsplatz

Die Feiertage sind noch nicht so lange her und der Festtagsbraten sowie die Weihnachtsguetzli bei der Arbeit liegen vielen noch im Magen. Das ist ein guter Zeitpunkt, die eigene Ernährung zu überdenken. Die Ernährungsexpertin Maria Imfeld gibt Tipps zu gutem Ernährungsverhalten und gesundem Essen am Arbeitsplatz.

Mathias Steger: Was bedeutet für Sie gesunde Ernährung?

Maria Imfeld: Möglichst Frisches essen. Je mehr Lebensmittel verarbeitet, gekocht oder gelagert werden, desto eher verlieren sie an Nährwert. Ausserdem soll man darauf achten, dass die Lebensmittel regional und saisonal sind – auch beim Transport gehen viele Vitamine verloren; dazu kommt noch der ökologische Aspekt. Gesundheit ist ein sehr breiter Begriff, doch tendenziell sollte man sich überlegen, was die Grosseltern früher assen. Damals gab es noch kein Fastfood. Sie haben sich von Natur aus gesund ernährt und das gegessen, was frisch war. Oder sie haben Lebensmittel auf einfache Art konserviert, wie etwa Sauerkraut für den Winter.

Es gibt unzählige Ernährungstheorien. Kann man objektiv beurteilen, was eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist?

Ich denke, Extreme sind im Allgemeinen nie gut, da ist die Ernährung keine Ausnahme. Man sollte die Balance bewahren und abwechslungsreich essen. Mit gesundem Menschenverstand kommen wir da sehr weit, denn es gilt: Je einfacher und natürlicher, desto besser.

Macht es einen Unterschied, ob man kommerzielle oder biologische Produkte konsumiert?

Ein biologisch hergestelltes Lebensmittel hat in der Regel mehr Nährstoffe als ein konventionelles. Ausserdem sind bei Bioprodukten keine Pestizide oder Herbizide enthalten, die wir nicht brauchen und die auch der Natur und Nachhaltigkeit nicht guttun. Zudem werden bei der Verarbeitung von Bioprodukten in der Regel keine Aromen oder Farbstoffe beigefügt. Interessanterweise suchen Wildtiere und Insekten lieber auf Biofeldern ihre Nahrung, weil sie spüren, dass diese dort reichhaltiger und unbelasteter ist.

Gibt es für eine ausgewogene Ernährung Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Männer nehmen oft zu viel Eiweiss und Frauen meistens zu wenig zu sich. Frauen neigen dazu, vor allem Gemüse und Salat zu essen und dadurch nicht genügend Eiweiss aufzunehmen. Dabei gibt es neben Fleisch viele andere Eiweissquellen, etwa Hülsenfrüchte, Quark oder Hüttenkäse. Männer hingegen konsumieren häufig zu viel Fleisch und Kohlenhydrate und zu wenig Gemüse. Gerade Kohlenhydrate sind besonders wichtig, weil sie der Grundnährstoff für das Gehirn sind.

Oft hat man bei der Arbeit nur wenig Zeit für die Mittagspause oder kaum Möglichkeiten, gesundes Essen in der Umgebung zu finden. Wie kann man sich dennoch gesund ernähren?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder kocht man am Abend etwas vor und nimmt es für den Mittag mit oder man holt sich auf dem Arbeitsweg etwas. Ich empfehle in diesem Fall, dass man sich Gemüse und Obst, Vollkornbrot und ein Stück Käse besorgt. Natürlich kann man das nicht jeden Tag essen, es ist jedoch wichtig, vor allem Eiweiss, Kohlenhydrate Vitamine und Mineralstoffe zu sich zu nehmen und genügend Wasser zu trinken. Eine andere Alternative ist, dass man das Essen aus der Kantine selbst ergänzt, sich also nur z.B. vom frischen Salatbuffet bedient und selbst ein Vollkorn- oder Knäckebrot sowie gekochte Eier mitnimmt.

Sollte man zu Mittag auf Kohlenhydrate verzichten?

Das ist sehr individuell. Zentral ist, dass man vielfältig isst. Es gibt Leute, die besonders sensibel auf Kohlenhydrate reagieren. Dies äussert sich durch ein Müdigkeitsloch am Nachmittag. In dem Fall muss man sich fragen, ob es ausreicht, auf Vollkornprodukte zu wechseln, weil die raffinierten Kohlenhydrate mittags zu viele Schwankungen im Blutzucker verursachen und Vollkornprodukte für mehr Stabilität sorgen. Wenn diese Massnahme nicht ausreicht, ist es ein Versucht wert, nur Eiweiss und Gemüse zu konsumieren.
Viele verzichten wegen der vermeintlich besseren Fettverbrennung auf Kohlenhydrate. So einfach ist das leider nicht. Es kommt für einen nachhaltigen Erfolg darauf an, welche Kohlenhydrate konsumiert werden. Aus Erfahrung weiss ich aber, dass nicht unbedingt Kohlenhydrate für die Nachmittagsmüdigkeit verantwortlich sind, sondern auch warme Gerichte. Es gibt Leute, die sehr sensibel darauf reagieren; dann könnte man auf ein Sandwich oder Salat mit Vollkornbrot umsteigen. Auch ein Teigwarensalat mit Käse und viel Gemüse ist eine Alternative.

Ist es empfehlenswert, auf das Frühstück zu verzichten?

Sobald es ein Verzicht ist, bin ich dagegen. Essen sollte ein Genuss sein. Wenn man keinen Appetit hat, sollte analysiert werden, warum. Hat man vielleicht zu viel am Vorabend gegessen? Studien zeigen, dass die Leistungsfähigkeit höher ist, wenn man ein Frühstück zu sich nimmt. Ich habe auch schon oft erlebt, dass Leute, die gesund frühstücken, leichter abnehmen, weil sie im Verlauf des Vormittags dann nicht zusätzlich zu einem Gipfeli greifen. So kann auch das erste Loch am Morgen um 11 besser überbrückt werden.

Wie ernährt man sich richtig, um am Nachmittag einen Müdigkeitseinbruch und einen Leistungseinbruch beim Job zu vermeiden?

Es ist wichtig, öfters eine kleine Pause einzulegen. Snacks wie Studentenfutter können auch helfen. Am Nachmittag fällt die Energiekurve gewöhnlich nach unten. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man die Arbeit so planen, dass man sich am Nachmittag mehr bewegt und körperlich betätigt und am Morgen die Dinge erledigt, die besonders viel Konzentration erfordern.

Was sind gesunde Snacks am Arbeitsplatz?

Zwischenmahlzeiten wie Nüsse, eine Banane oder eine Karotte sind perfekt, um die Gehirnleistung beizubehalten. Dabei spielt einerseits die Bewegung der Kaumuskulatur eine Rolle, weil diese die Durchblutung anregt und so die Leistung im Hirn steigern kann. Andererseits bringt ein gesunder Snack Kohlenhydrate wie eine Banane oder Dörrobst direkte Nahrung für das Hirn.

Wie kann sich Stress auf das Ernährungsverhalten auswirken?

Meine Erfahrung ist, dass es zwei Gruppen gibt. Diejenigen, die bei Stress viel essen und diejenigen, die vor lauter Stress das Essen vergessen. Der Stressesser isst alles, was herumliegt, und nimmt so leicht zu. Wenn man hingegen vergisst zu essen, dann kann das zu Vitaminmangel führen. Die Leistungsfähigkeit leidet bei beiden Typen. Gerade bei Stress ist der Körper besonders sensibel und braucht eine optimale Ernährung, um gesund und leistungsfähig zu bleiben.

Gestresste Menschen leiden am Arbeitsplatz oft unter Verdauungsproblemen. Wie kann dem gegengesteuert werden?

Wichtig ist, dass man sich beim Essen Zeit nimmt, nichts anderes tut und zur Ruhe kommt. Man sollte sich mindestens 20 Minuten vom Arbeitsplatz entfernen und den Job hinter sich lassen. Stress wirkt sich stark auf den Körper aus und kann auch unbewusst verursacht werden. Wenn man ständig Ablenkungen wie z.B. das Smartphone um sich hat, dann kommt man nicht zur Ruhe. Gut kauen und langsam geniessen ist auch sehr wichtig.

Sollte man sich in der kalten Jahreszeit anders ernähren?

Viele sagen mir, dass sie im Winter weniger Lust auf einen Salat haben. Wenn es kalt wird, dann ist eine warme Suppe aus Wintergemüse eine gute Alternative; durch diese werden Nährstoffe besonders gut aufgenommen. Bedenken sollte man auch, dass mit gut isolierten Häusern, top Heizungen und guter Kleidung fetthaltige Gerichte nicht mehr so notwendig sind wie früher, als wir viel mehr Energie im Winter brauchten, um den Körper zu wärmen.

Maria Imfeld ist Ernährungsberaterin und arbeitet seit 20 Jahren selbstständig in ihrer Praxis für Ernährung und Diätetik in Zürich. Neben der Beratung bietet sie auch Kurse für eine gesündere Ernährung am Arbeitsplatz an.