Lohn | Benefits
Die Lohnfrage bei der Jobsuche
Die Frage nach dem Lohn ist bei Jobsuchenden oft eine Quelle von Unsicherheiten. Job-Coach Viola Christen hat uns in einem Interview verraten, wie man diese Unsicherheiten bekämpft und das Thema Lohn im Bewerbungsgespräch richtig angeht.
Mathias Steger: Wo haben Jobsuchende am meisten Unsicherheiten bezüglich des Lohns?
Viola Christen: Viele Jobsuchende haben Mühe einzuschätzen, was ein fairer und angemessener Lohn für eine vakante Stelle ist und welchen Lohn sie für ihre Qualifikation und Berufserfahrung in der entsprechenden Branche und Region verlangen können. Lohntransparenz ist in der Schweiz in der Regel unüblich, das heisst, eine konkrete Angabe des Salärs findet man sehr selten in Stelleninseraten. Glücklicherweise legen immer mehr Firmen die Lohnbandbreite offen. Dies ist für beide Parteien hilfreich, um zu Beginn herauszufinden, ob die Rahmenbedingungen hinsichtlich des Lohns erfüllt sind. Es birgt jedoch auch eine Gefahr, dass möglicherweise gute Bewerbende, welche aus dem Lohnrahmen herausfallen, gar nicht zum Interview eingeladen werden.
Welche Tipps geben Sie bei diesen Unsicherheiten?
Ich rate dazu, sich im Vorfeld Gedanken zu machen und sich darüber zu informieren, was der eigene Marktwert ist, um selbstsicher auftreten zu können. Ich denke daran gerade an Frauen, welche nach wie vor aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Daran sind sie aber nicht ganz unschuldig, weil diese dazu tendieren, sich in Lohnverhandlungen unter ihrem Wert zu „verkaufen“. Ich bin zuversichtlich, dass die neue Generation ein grösseres Selbstbewusstsein an den Tag legen wird.
Verhalten sich Männer und Frauen bei der Frage nach dem Lohn im Jobinterview unterschiedlich?
Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass Männer sich tendenziell über- und Frauen unterschätzen. Studien besagen ausserdem, dass Männer in Lohnverhandlungen grundsätzlich rund 10% mehr angeben, als sie bei der bisherigen Arbeitsstelle verdient haben und davon ausgehen, dass sie durch einen Stellenwechsel mehr Lohn erwarten können. Von dieser Annahme kann „Mann“ natürlich nicht immer ausgehen! Frauen setzen oft andere Prioritäten, wenn es darum geht, sich für einen Job zu entscheiden. Ihnen sind intrinsische Faktoren wie Team, Sinnhaftigkeit und Unternehmenskultur meistens wichtiger als die monetären Anreize. Deshalb sind sie in Verhandlungen gerne zögerlich und vertrauen darauf, dass der Arbeitgeber sie fair für ihre Arbeit entschädigt. Oft sind sie auch zu wenig informiert, was ihr Marktwert betrifft.
Wie können Frauen sicherstellen, dass sie denselben Lohn bekommen wie Männer?
Indem sie sich entsprechend informieren. Ebenfalls sollten sie sich beim Vorstellungsgespräch erkundigen, wie das Lohnsystem des jeweiligen Unternehmens aussieht und das Thema Lohngerechtigkeit ansprechen, falls der Arbeitgeber diese Pflicht unterlassen hat. Viele wissen nicht, dass ein Diskriminierungsverbot im Bundesgesetz verankert ist mit dem Grundsatz „Gleicher Lohn bei gleichwertiger Arbeit“. Ein transparentes Lohnsystem ist Voraussetzung dazu. Kandidaten können auch darauf achten, ob die Firma ein Zertifikat resp. ein Label dazu hat. Ich denke jedoch, dass es bei den neuen Generationen eine Selbstverständlichkeit sein wird, dass Frau und Mann gleich viel für den gleichen Job verdienen.
Wie kann man überhaupt evaluieren, welchen Lohn man ungefähr erhalten sollte?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich zu erkundigen, z.B. durch Lohnstruktur-Vergleiche. Neben verschiedenen Webseiten, die für diesen Zweck ausgerichtet sind, lohnt es sich sicherlich auch, im eigenen Bekanntenkreis nachzufragen.
Wichtig ist, dass man seinen Marktwert kennt und entsprechend argumentieren kann.
Macht es Sinn, bei der Lohnfrage einen besonders hohen Betrag anzugeben?
Mit einem selbstsicheren Auftreten tendenziell zu hohe Lohnvorstellungen anzugeben, kann eine Möglichkeit des ersten Verhandlungsschrittes sein. Wichtig ist, dass man seinen Marktwert kennt und entsprechend argumentieren kann. Bleiben Sie jedoch flexibel, was das Angebot seitens Arbeitgeber betrifft. Die Entschädigung der Arbeitsleistung durch den Lohn ist das eine, das andere sind die Lohnnebenleistungen und die Kostenübernahme von nicht obligatorischen Sozialversicherungen wie Krankentaggeld, Unfallversicherung oder eine grosszügige Pensionskassenlösung oder Fringe Benefits. Legen Sie alles in die Entscheidungswaagschale, wenn es darum geht, sich für eine neue Arbeitsstelle zu entscheiden.
Würden Sie als Kandidat den Lohn im ersten Jobinterview ansprechen, wenn das Thema nicht von Unternehmen angesprochen wird?
Ja, auf jeden Fall. Zu einem professionellen Rekrutierungsprozess gehört, dass die Lohnvorstellungen spätestens im ersten Vorstellungsgespräch besprochen werden.
Gibt es Fehler, die Jobsuchende bei der Lohnfrage im Jobinterview machen können?
Ja. Wenn man nicht weiss, was man wert ist und keine zielführende Antwort auf die Frage nach der Lohnhöhe hat. Seitens Arbeitgeber gibt es ebenfalls eine ungeschickte Fragtechnik nach der Lohnvorstellung. Die Frage nach „Wie viel verdienen Sie aktuell!“ ist obsolet und nicht aussagekräftig. Viele Stellensuchende gehen immer noch davon aus, dass ein neuer Arbeitgeber automatisch mehr Lohn bedeutet!
Was sind abschliessend Ihre persönlichen Tipps an Jobsuchende zur Lohnfrage?
Permanente Weiterbildungen und Investitionen in die eigenen Fähigkeiten sind wichtig, damit man am Ball des Geschehens bleibt. Job-Coaches können durch ihre Kenntnisse des Arbeitsmarktes weiterhelfen und Lohngespräche mit Stellensuchenden einüben.
Viola Christen ist Gründerin und Inhaberin von Christen Human Resources Management. Als Personalmanagerin und Job-Coach bietet sie Personaldienstleistungen für KMU, Grossunternehmen und Einzelpersonen an. Der Firmensitz befindet sich in Meilen (ZH) und es gibt eine weitere Filiale in Braunwald (GL).