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Burnout – reagieren, bevor es zu spät ist

Das Burnout-Risiko wird von vielen unterschätzt, denn ein Burn-out kann ganz plötzlich und unerwartet kommen. Was sind die ersten Anzeichen, was kann man dagegen tun und wie können sich Betroffene davon erholen? Das erklärt uns Coach und Körpertherapeut Konrad Wiesendanger.

Mathias Steger: Wie definieren Sie Burnout?

Konrad Wiesendanger: Es gibt eine sinnvolle Definition der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde: „Burnout ist keine Erkrankung, sondern ein Risikozustand für Folgeerkrankungen“. Das heisst, ein Burnout ist eine Risikosituation für gesundheitliche Probleme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Immunschwäche oder psychische Probleme wie Depressionen. Zu einem Burnout gehört meiner Ansicht nach auch der Verlust der Handlungsfähigkeit, also ein Zustand, in dem man keine Lösungen mehr entwickeln kann.

Die Grenzen zwischen schlechter Laune, Stress oder Überarbeitung und einem Burnout sind schwer zu ziehen. Ab wann wird es gefährlich?

Eine schlechte Laune oder mal eine schlechte Woche sind weit von einem Burnout entfernt. Dauerhafter Stress, Überarbeitung oder Angst um den Arbeitsplatz sind aber wichtige Faktoren, die Druck erzeugen und eine Gefahr für ein Burnout bergen können. Auch Menschen, die ihre Arbeit lieben und sich mit ihr identifizieren, können durch den hohen Anspruch an sich selber und den Perfektionsdrang unvermittelt an ihre eigene Belastungsgrenze stossen.

Gibt es Branchen oder Berufe, die besonders anfällig für Burnouts sind?

Traditionell sind vor allem Menschen in sozialen Berufen und Selbständige besonders gefährdet. Jemand mit hohen Ambitionen, der keinen Chef hat, hat durch die fehlenden Schutzmechanismen ein höheres Risiko. Mittlerweile geraten aber auch viele Menschen in ein Burnout, die in einem Team arbeiten und dem erhöhten Druck und der Verantwortung nicht standhalten können.

Ich erlebe oft Menschen, die der Meinung sind, alles tun und alles aushalten zu können. Das ist gefährlich.

Ist es auch eine Persönlichkeitsfrage, ob man besonders Burnout-gefährdet ist?

An sich positive persönliche Eigenschaften wie ein hoher Perfektionsanspruch, Fehlerlosigkeit, es allen recht machen und Dinge besonders schnell erledigen zu wollen, können ein Burnout begünstigen. Fehlertoleranz und ganz generell Toleranz sich selber gegenüber können also die Burnoutgefahr reduzieren.

Das heisst, man macht sich selber zu viel Druck?

Genau. Ich erlebe oft Menschen, die der Meinung sind, alles tun und alles aushalten zu können. Das ist gefährlich. Die Gründe dafür liegen oft in den Werten, die man durch Erziehung und Kultur mitbekommen hat.

Viele reagieren erst, wenn es zu spät ist. Was sind erste Anzeichen für ein Burnout?

Etwa, wenn die Arbeit allem übergeordnet wird. Wenn zum Beispiel die Familie vernachlässigt wird, man Mahlzeiten auslässt, oder den Schlaf über längere Zeit auf ein absolutes Minimum reduziert. Auch eine allgemeine negative Grundeinstellung kann ein Anzeichen sein.

Was sollte man bei solchen ersten Anzeichen für ein Burnout tun?

Die Selbstwahrnehmung ist einer der besten Schutzmechanismen gegen Burnout. Unglücklicherweise äussert sie sich oft erst durch Leiden. Wenn also jemand leidet und merkt, dass es einem zu viel wird, dann kann und soll sich die betreffende Person Hilfe holen, etwa bei einem Coach, einem Vertrauensarzt oder einem Psychologen. Selbstwahrnehmung lässt sich aber auch trainieren, damit man früher Veränderungen in der eigenen Befindlichkeit entdecken kann. Bei einem guten Vertrauensverhältnis im Team kann auch ein Gespräch unter Kollegen hilfreich sein. Schon nur die Frage, wie es einem gerade jetzt geht, kann ein erster Schritt aus der Überlastung sein.

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Was kann man tun, um das Risiko eines Burnouts zu reduzieren?

Da kann ich gleich von mir selber sprechen. Als freischaffender Coach würde ich mich selber zu einer Burnout-Risikogruppe zählen – obwohl ich aktuell ein gutes Gleichgewicht habe. Meine Strategie zur Burnout Prävention ist, dass ich mir in Supervisionsstunden immer wieder Feedback über meinen Umgang mit den Klienten sowie mit schwierigen Arbeitssituationen geben lasse. Und das empfehle ich auch allen anderen: Immer wieder jemanden mit einer Aussensicht heranziehen und das Arbeitsverhalten – etwa den Umgang mit Fehlern und Problemen – beurteilen lassen. Für ein solches Gespräch ist ein hohes Vertrauen zu dieser Person unabdingbar. Das kann vielleicht jemand aus dem Freundes-/Familienkreis oder unter Umständen eine gute Kollegin oder Kollege sein. Die Vertrauensperson kann die Situation einschätzen und wenn diese der Meinung ist, die Situation sei untragbar, sollte man sich Hilfe holen.

Wie kann ein Manager/Teammitglied merken, wenn jemand einem Burnout nahe ist?

Etwa, wenn sich das Verhalten einer Person innerhalb kurzer Zeit verändert. Wenn eine besonders gesprächige Person auf einmal sehr still wird oder jemand plötzlich besonders zynisch wird oder plötzlich häufig nicht mehr bei der Arbeit erscheint. Das sind Alarmzeichen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass das Team eigentlich über die Gesundheit der Mitarbeitenden nichts weiss, weil die Gesundheit Privatsache ist. Daher braucht es viel Feingefühl und Vertrauen, um mit der betroffenen Person ins Gespräch zu kommen.

Was kann die betroffene Person selber machen?

Auf keinen Fall sollte man einfach weiterarbeiten. Einfach zu Hause sitzen und auf sich alleine gestellt sein hilft auch nicht weiter. Ich rate auf jeden Fall, eine Fachperson aufzusuchen, vielleicht auch nur für eine oder zwei Stunden, um den Ist-Zustand zu beurteilen und zu analysieren, was die nächsten Schritte sein können.

Jedes Burnout ist eine schmerzhafte Tragödie für die Betroffenen. Auch die Kolleginnen und Kollegen im Team leiden mit und erfahren in ihrer Arbeit zusätzliche Belastung. Deshalb geht nichts über eine sorgfältige Burnout-Prävention.

Wie kann es gelingen, dass jemand mit Burnout wieder in den gewöhnlichen Berufsalltag zurückkehrt?

Bei weniger schwerwiegenden Fällen kann eine Pause von der Arbeit und ein klärendes Gespräch mit den Vorgesetzten ausreichen, damit der/die Betroffene nach einigen Wochen wieder zurück bei der Arbeit ist. Bei schweren Fällen gibt es oft eine lange Abwesenheit mit Klinikaufenthalt. Hier muss man sich im Detail ansehen, wie die Vertrauenssituation zum Arbeitgeber ist und ob das Vertrauen wiederhergestellt werden kann, um in diesem Unternehmen weiterzuarbeiten. Oft können und wollen betroffene Personen nicht mehr in der Firma weiterarbeiten und streben einen Jobwechsel an. Doch je nach Lebenssituation ist das nicht einfach. Gerade bei älteren Menschen ist es dann oft sehr schwierig, eine neue Stelle zu finden. Jedes Burnout ist eine schmerzhafte Tragödie für die Betroffenen. Auch die Kolleginnen und Kollegen im Team leiden mit und erfahren in ihrer Arbeit zusätzliche Belastung. Deshalb geht nichts über eine sorgfältige Burnout-Prävention.

Wie unterstützen Sie Menschen bezüglich Burnouts?

Ich bin vor allem in der Prävention tätig. Dabei geht es vor allem um Stress und den Umgang mit Stress. Dafür habe ich ein Übungsprogramm zusammengestellt, um Strategien zu entwickeln, dank dieser man sich im Stress selbst beruhigen und fokussieren kann. Dabei geht es auch sehr stark darum, richtig mit dem Körper umzugehen. Ausserdem berate ich Klienten bei der Reintegration in die Arbeit und unterstütze sie, um auf der körperlichen Ebene, beim Umgang mit Grenzen und auf der Kommunikationsebene wieder Lösungen zu entwickeln.

Konrad Wiesendanger arbeitet als Coach, Supervisor und Körpertherapeut in Luzern. (www.ergosens.ch). Er ist Autor von «ESM-Embodied Stress Management» (tredition Hamburg, 2017). Zusammen mit lifetime health hat er ein betriebliches Gesundheitsmanagement für KMU entwickelt, das mit kleinem Investitionsaufwand hilft, im Betrieb gesundheitliche Risiken wie Burnoutgefährdung frühzeitig zu erkennen.

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