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Boreout statt Burnout: Auch Nichtstun schadet
Viele kennen es vielleicht: einen langweiligen Arbeitstag, an dem wenig passiert und die Zeit nur zäh verstreicht. Wenn sich aber nicht nur ein Tag, sondern beinahe jeder so gestaltet, kann das sehr belastend sein. Eine dauerhafte Langweile am Arbeitsplatz führt im schlimmsten Fall zu einem Phänomen, das Fachleute Boreout nennen. In diesem Beitrag erfährst du, was Boreout ist, was du dagegen tun kannst und wie du dich am besten an deinen Arbeitgeber wendest, um Unterstützung zu erhalten.
Ein Gastbeitrag von Dr. med. Ulrike Thieme von ZAVA
Was ist Boreout?
Der Begriff Boreout wurde 2007 von zwei Schweizer Autoren ins Leben gerufen. Er spielt mit den englischen Wörtern “boredom/bore” (Langeweile/langweilen) und “burnout”. Letzteres bezieht sich auf das bekannte Burnout-Syndrom, das psychologische Krisen beschreibt, die mit zu viel Stress und Überforderung im Beruf verbunden sind. Folglich ist das Boreout das Gegenstück des Burnouts: Statt zu viel Arbeit haben Arbeitnehmer*innen zu wenig zu tun. Dabei spielt es keine Rolle, ob es quantitativ zu wenig Aufgaben gibt oder sich um Aufgaben handelt, die nicht mental stimulierend sind. Betroffene fühlen sich in beiden Fällen so gelangweilt, dass diese chronische Unterforderung Stress und Erschöpfung verursacht.
Während das Burnout-Syndrom inzwischen großflächig anerkannt ist und häufig diskutiert wird, ist das Boreout noch relativ unbekannt. Dass das Interesse daran aber vorhanden ist, macht zum Beispiel die große Anzahl von 2,4 Millionen Google-Suchergebnissen im deutschsprachigen Raum zum Thema deutlich. Auch allgemein zeigt sich, dass das Thema mentale Gesundheit viele Menschen beschäftigt: Laut dem Mental Health Report von ZAVA zeichnete sich in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Suchanfragen bei Google zu Begriffen wie “mentale Erschöpfung” ab.
Ursachen für Boreout
Folgende Umstände können ein Boreout verursachen:
- Du hast bei der Arbeit nichts zu tun.
- Deine Aufgaben stellen keine Herausforderung dar.
- Deine Arbeit fühlt sich sinnlos an.
- Du hast keine Möglichkeit, Neues zu lernen.
- Du hast keine Möglichkeit, selbst Einfluss auf die eigene Arbeit und Aufgaben zu nehmen.
Welche Symptome gibt es beim Boreout?
Ein Boreout kann vorliegen, wenn du mehreren der folgenden Punkte zustimmst:
- Du hast das Interesse und die Motivation für den Job verloren.
- Du hast viel zu wenig zu tun.
- Du versuchst ständig, beschäftig vor den Kolleg*innen auszusehen.
- Du streckst Aufgaben über mehrere Tage, um mehr zu tun zu haben.
- Du übernimmst Aufgaben, die nicht zu deinem eigentlichen Arbeitsbereich gehören.
- Du hast das Gefühl, dass die Arbeit keinen Sinn ergibt.
Wer unter Boreout leidet, bekommt mit der Zeit vermutlich immer mehr und stärkere Symptome dazu. Die Symptome von Boreout sind denen des Burnouts sehr ähnlich. Sowohl zu wenig als auch zu viel Arbeit führen so zu:
- Schlaflosigkeit
- Antriebsverlust
- Angstzustände
- Erschöpfung
- Gedächtnisprobleme
- Konzentrationsprobleme
- Rücken- und Kopfschmerzen
Da die Symptomatiken von Boreout und Burnout so ähnlich sind, trifft auf das Boreout-Syndrom auch das zu, was der Coach und Körpertherapeut Konrad Wiesendanger im jobs.ch Interview über Burnout gesagt hat: Bei beidem handelt es sich um Risikozustände für Folgeerkrankungen, sowohl psychischer als auch körperlicher Natur. Behandlung und Intervention ist daher auch beim Boreout von hoher Bedeutung.
Wie lässt sich Boreout vermeiden und behandeln?
Wer unter Boreout leidet oder ein Boreout-Risiko für sich selbst erkennt, ist dem nicht hilflos ausgeliefert. Wir haben einige Vorschläge zur Boreout-Intervention für dich gesammelt.
Gespräch mit Arbeitgeber suchen
Auch, wenn es wahrscheinlich etwas Mut kostet – das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und die Vorgesetzten über die persönliche Lage aufzuklären, ist ein wichtiger Schritt. Reflektiere am besten vor dem Gesprächstermin über deine Situation in der Arbeit und mache dir Gedanken über realistische Verbesserungsmöglichkeiten. So kannst du beim Gespräch gleich mit sinnvollen Vorschlägen aufwarten. Erinnere deine Vorgesetzten an deine Qualifikationen und Fähigkeiten und erkundige dich auch über Entwicklungsmöglichkeiten. Vielleicht ist etwa ein Besuch einer Fortbildung nötig, um anspruchsvollere Aufgaben übernehmen zu können, die dich mehr erfüllen.
Viele Arbeitnehmer*innen kämpfen mit der Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie über ihren Boreout sprechen und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Nur wenn die Unterforderung und das Boreout-Gefühl jedoch ausgesprochen und die Vorgesetzten darüber in Kenntnis gesetzt werden, können Änderungen eingeleitet werden. Häufig sind Vorgesetzte dankbar, wenn Mitarbeitende offen sind – und noch mehr, wenn du kommunizierst, dass du dich mehr in der Arbeit engagieren willst und bereit für größere Aufgaben bist.
Beratungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen
Zudem lässt sich Unterstützung bei speziellen Einrichtungen zur Berufsberatung oder psychologischen Fachkräften finden. Dr. med. Ulrike Thieme empfiehlt im ZAVA Mental Health Report: “Frühe Gespräche mit ausgebildetem Fachpersonal sind absolut empfehlenswert.” Du solltest also nicht zögern, dir professionelle Hilfe zu holen.
Freizeit erfüllend gestalten
Auch jenseits des Arbeitsplatzes gibt es viele Möglichkeiten: Finde ein Hobby, engagiere dich freiwillig oder baue dir einen Freelancer-Job auf. Mit solchen Aktivitäten kannst du dir in der Freizeit deine eigenen Herausforderungen schaffen, die dich mental stimuliert halten.
Jobwechsel vollziehen
Wenn jedoch trotz alledem die Situation nicht besser wird und sich das Boreout konstant hält, kann letztlich auch ein Jobwechsel die beste Lösung sein. Das ist zwar ein großer Schritt, vor dem viele Respekt haben, ist auf lange Sicht aber oft besser, als Tag für Tag endlose Langeweile zu erleben und mit den Symptomen des Boreouts zu kämpfen.
Fazit
Boreout ist eine unterschätzte Krankheit von Arbeitnehmer*innen, dessen Folgen genauso schwerwiegend sein können für die mentale und körperliche Gesundheit wie Burnout. Ursachen können dabei sowohl zu wenig Aufgaben als auch Unterforderung auf der Arbeit sein. Beim Erkennen von Symptomen ist es von hoher Bedeutung schnell zu handeln. Denn, wie Dr. med. Frank Tenbrock im Mental Health Report von ZAVA sagt: “Je länger eine Krankheit andauert, desto schwieriger kann es sein, sie zu behandeln.”
Dr. med. Ulrike Thieme ist seit 2018 Mitglied des deutschen Ärzteteams bei ZAVA. Sie studierte Medizin an der Universitätsklinik Charité in Berlin und an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Facharztausbildung für Neurologie absolvierte sie in Dachau. Vor ihrer Tätigkeit bei ZAVA arbeitete sie am National Hospital for Neurology and Neurosurgery in London. Für ZAVA berät und behandelt sie Patienten über das Internet.