Bewerbungsgespräch | Bewerbung nachfragen
Darf ich oder darf ich nicht? – 10 kritische Fragen im Interview
Wenn du zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen bist, gibt es bestimmt jede Menge Dinge, die du gerne wissen möchtest. Aber nicht alle Fragen sind angebracht. Wir haben uns zehn problematische Fragen ausgedacht und drei HR-Experten nach ihrer Meinung gefragt.
Darf ich im Interview nach einem Probetag fragen?
Flavia Arizzoli: Natürlich! Das ist für beide Seiten wertvoll. Wir bieten häufig auch von unserer Seite Schnuppermöglichkeiten an.
Yeshe Sherpa: Ja, dies ist auf jeden Fall legitim und in der Regel für beide Parteien gewinnbringend.
Lydia Zollinger: Ja, das zeigt sogar besonderes Interesse seitens der KandidatIn.
Kann ich fragen, ob ich die Arbeitskollegen kurz sehen darf?
Arizzoli: Auch dagegen spricht nichts. Fast immer lernen unsere Kandidatinnen und Kandidaten in der finalen Runde das Team kennen.
Sherpa: Ja, aber nicht im ersten Gespräch.
Zollinger: Wir zeigen gegen Ende des Gesprächs den weiteren Verlauf innerhalb des Bewerbungsprozesses auf. Es ist an vielen Orten üblich, in einer zweiten Gesprächsrunde weitere Personen kennen zu lernen. Wenn also die Einladung zu einem zweiten Interviewtermin erfolgt, kann man als Bewerber nachfragen, ob man das ganze Team kennenlernen darf.
Ist es okay, während dem Bewerbungsgespräch auf das WC zu gehen?
Arizzoli: Klar, wenn es dringend ist – passiert aber selten.
Sherpa: Nein. Es empfiehlt sich, dies vor dem Gespräch zu erledigen.
Zollinger: Solche Fragen kommen eher selten vor. Wenn es nicht absolut notwendig ist, sollte man das als Bewerber lieber unterlassen – um das Gespräch nicht zu unterbrechen.
Darf ich im Interview nach einem Glas Wasser oder einem Kaffee fragen?
Arizzoli: Wir bieten immer Wasser an. Nach einem Kaffee sollte nicht gefragt werden – es gibt keinen Grund in einem Interview einen Kaffee zu trinken.
Sherpa: In einem normalen Interview nicht. Sollte es sich um ein mehrstündiges Assessment handeln, wäre dies jedoch in Ordnung.
Zollinger: Normalerweise wird einem im Gespräch vom Unternehmen Wasser oder Kaffee angeboten. Falls nicht, unbedingt nachfragen.
Ist es okay, zu fragen, ob ich den Hund/ein anderes Haustier in die Arbeit mitnehmen kann?
Arizzoli: Nur wenn klar ersichtlich ist, dass es die Arbeit und die Infrastruktur erlaubt. Bei uns ist das nicht möglich.
Sherpa: Nein, da dies bei vielen Unternehmen ein No-go darstellt. Wenn es für den Bewerber aber ein K.O.-Kriterium ist, dann kommt er um diese Frage nicht herum.
Zollinger: Ja, klar. So lange man den Hund nicht gleich ans Bewerbungsgespräch mitnimmt.
Soll ich im ersten Interview über das Gehalt reden?
Arizzoli: Dies kann man nicht generell beantworten. Wir holen im Erstgespräch die Gehaltsvorstellungen der Kandidaten ab.
Sherpa: Nur wenn man darauf angesprochen wird. Ansonsten klärt man diesen Punkt in einer zweiten Gesprächsrunde.
Zollinger: Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der darüber entscheiden kann, ob jemand die Bewerbung weiterverfolgt. Deshalb fragt man den Interviewten bereits im Vorfeld nach seinen Vorstellungen. In der Regel wird dieses Thema aber vom HR erst gegen Ende des Gespräches abgeholt. Falls das Gehalt dann noch nicht angesprochen wurde, ist es absolut ok, den Punkt von sich aus einzubringen.
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Kann ich im ersten Interview Ferien ins Gespräch bringen?
Arizzoli: Wenn Ferien bereits fix gebucht sind und in die Zeit beim neuen Arbeitgeber fallen, sollte dies auf jeden Fall genannt werden. Nach Anzahl Ferien zu fragen, ist weniger angebracht, da es falsch interpretiert werden kann. Im Normalfall wird man darüber auch früher oder später informiert.
Sherpa: Nein, auch dies sollte man erst in einem zweiten Interview ansprechen, wenn bereits gegenseitiges Interesse signalisiert wurde.
Zollinger: Auch über Fringe Benefits und Ferien sprechen Unternehmen meist erst am Ende des Gesprächs. Grundsätzlich ist es von Vorteil, wenn der/die BewerberIn innerhalb der Probezeit nicht allzu viele Ferientage bezieht.
Kann ich nach Benefits im Unternehmen fragen?
Arizzoli: Wenn der Arbeitgeber dies nicht sowieso von sich aus erzählt, nur zu. Es sollte schlussendlich aber nicht der Eindruck entstehen, dass man nur wegen den Benefits zur Arbeit kommt. Die Motivation sollte eine andere sein.
Sherpa: Auch hier sollte man analog der Gehaltsfrage zurückhaltend sein.
Zollinger: Falls nach dem ersten Gespräch keine Informationen vom Unternehmen kamen, ist es absolut ok, wenn der/die KandidatIn in einem Zweitgespräch danach fragt.
Ist es legitim, sich gleich im ersten Gespräch über Beförderungsmöglichkeiten zu unterhalten?
Arizzoli: Weiterentwicklung ist wichtig und nach Möglichkeiten und Wegen zu fragen ist legitim. Es kommt aber darauf an, ob die Frage als Forderung gestellt ist oder aus Interesse.
Sherpa: Es ist sinnvoll und legitim sich über Entwicklungsmöglichkeiten zu informieren. Man sollte aber immer die Motivation für die Vakanz, um die es geht, zum Ausdruck bringen.
Zollinger: Ja. Dabei sollte man aber lieber von persönlicher Weiterentwicklung sprechen als gleich von Beförderung.
Ist es angebracht, zu fragen, warum die Person, die die Position vorher ausgeübt hat, die Stelle verlassen hat?
Arizzoli: Das ist durchaus erlaubt.
Sherpa: Jein. Im ersten Gespräch empfiehlt es sich grundsätzlich nicht, kritische Fragen zu stellen.
Zollinger: Der Bewerber sollte sich einfach die Frage stellen, was er damit erreichen will. Will man erfahren, ob das Team einen guten Zusammenhalt hat, sollte man besser gleich direkt fragen, welche Atmosphäre im Team herrscht.
Flavia Arizzoli ist seit Juli 2015 als HR Consultant bei Helsana Versicherungen in Zürich tätig.
Yeshe Sherpa ist Managing Partner der Schweizer IT und SAP Rekrutierungsagentur ONE Agency und des Pendants ONE Medical für Berufstätige im Gesundheitswesen. Mit ONE Career bietet er Hochschulabsolventen die Chance, einen massgeschneiderten Berufseinstieg im People Business zu finden.
Lydia Zollinger ist HR Manager bei der Ringier AG, und dort für die Blick-Gruppe sowie für die Corporate Communication zuständig.